Der Tag davor

Bei jeder Gedenkfeier an Opfer einer Massengewalttat, versammeln sich die Menschen und sprechen große Worte, wie dass man nie wieder zusehen dürfe, wie Menschen auf solche Weise ums Leben kommen. „Never again!“, sagen sie. „Handeln statt Wegschauen!“ und andere starke Slogans.
Was sie dabei aber vergessen zu scheinen ist, dass gerade in dem Moment in dem sie gedenken, woanders auf der Welt genau dasselbe passiert. Genau dasselbe wofür sie gerade inne halten.

Diese Gedenkveranstaltungen erinnern mich immer an den 19. März 2003. An diesem Tag habe ich so sehr auf die Welt gehofft. Darauf, dass sie nicht nur zusieht und verurteilt, sondern auch tatsächlich etwas verhindert und eingreift, nämlich den Angriff auf den Irak.

Es war sehr früh am Morgen meine kleinen Kinder haben noch geschlafen. Ich konnte nicht schlafen. Habe Krieg bereits zu gut gekannt, als dass ich trotz der Androhungen ruhig schlafen hätte können. Ich ging auf die Terrasse. Der Himmel war extrem blau mit kleinen, scharf definierten Wolken, meine weißen Rosen haben geblüht und herrlich geduftet. Ich habe in den Himmel geschaut und mit Gott gesprochen: “Gott lass es nicht passieren. Bitte verhindere es. Wir hatten schon zwei Kriege, der Dritte wird unser Untergang sein. Ich will nicht, dass meine Kinder auch Krieg erleben. Bitte mach, dass alle Politiker zur Vernunft kommen. Es ist ein wunderschönes Land, gib uns einmal auch wieder Frieden, bitte!”

Die morgendlichen Sonnenstrahlen fingen an die kalte Frühlingsluft aufzuwärmen und plötzlich hat mich ein gutes Gefühl überkommen. „Es wird nichts passieren“, dachte ich mir, „Die Welt wird es nicht zulassen. Das Land leidet noch an den Folgen der ersten beiden Kriege und des Embargos. Mehr können sie uns nicht antun wollen.“
„Es wird ein Wunder geschehen. Heute wird Saddam abtreten, Bush wird einsehen, dass es keine Massenvernichtungswaffen gibt oder die UNO lädt alle Beteiligten vielleicht erneut zu einer Weiterführung der Gespräche ein.“
„Ja, so muss es sein. Der Himmel bleibt blau, meine Rosen werden weiter blühen und Frieden wird auf uns kommen.“

Wie sehr habe ich mich getäuscht, denn die Welt hat uns, wie auch andere zuvor und danach, im Stich gelassen.
Der Krieg ist gekommen und der Himmel war schwarz und rot, von Rauch und Sand. Meine Rosen sind vertrocknet und das Land, wie ich es kannte, ist gestorben.

Diese traurige Geschichte hat leider kein Ende. In dem Moment in dem ich gerade schreibe gibt es auf der Welt zahlreiche Kriege, Vertreibungen, Völkermorde, Hunger, Not und Gewalt. Und was macht die Welt? Die einen sind Teil der Gewalt und die anderen schauen zu.