Essen für drei

Über gute Taten sollte man eigentlich nicht sprechen, aber ich schreibe gerne über Ereignisse, die ich nicht vergessen möchte und das ist eines davon.

Es war an einem Freitagnachmittag und das Wetter war herrlich. Ich verließe das Büro und rief, wie fast jeden Tag, meine Schwester an. Leider war sie nicht gut gelaunt. Um sie aufzuheitern, überredete ich sie zu einem Spaziergang über den Flohmarkt in der Neubaugasse. Wir gingen langsam über den Markt und blieben immer wieder vor den Ständen stehen, um das vielfältige Angebot zu betrachten. Ab und zu fanden wir auch Stücke, die uns gefielen. Gekauft haben wir aber am Ende nichts. Später trieb uns der Hunger zum Lokal „Maschu Maschu“ und ich beschloss, meine Schwester zum Essen einzuladen. Wir setzten uns an einen Tisch im Schanigarten und gaben unsere Bestellung auf. Wie so oft war die Gier größer als der Hunger oder waren einfach die Portionen viel zu üppig? Auf jeden Fall waren wir nach der Hälfte unseres Essens bereits satt.

Von Weitem sahen wir einen sehr alten, gebrechlichen und ungepflegten Herrn, der bei den Gästen um Essen bettelte. Er näherte sich, wie zu erwarten, unserem Tisch. Sein Anblick löste in mir Mitleid aber auch Unwohlsein aus. Ich sah meine Schwester an und bemerkte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Sie ist noch näher am Wasser gebaut als ich. Sie schaute mich an und sagte: „Geben wir ihm das Essen?“ „Nein“ hätte ich in diesem Moment unmöglich sagen können. Der Mann sah sehr arm aus und wir hatten zu viel zu essen. Also ignorierte ich meine Berührungsängste und stimmte meiner Schwester zu. Sie reichte ihm einen Teller mit dem, zum Teil, unberührten Essen. Er sah uns ein bisschen skeptisch an. Als er aber bemerkte, dass wir es ernst meinten, streckte er seine Hand aus und nahm den Teller. Er nickte mehrmals dankend und begann mit großem Genuss zu essen. Meine Schwester, die noch immer mit den Tränen kämpfte, sagte zu mir: „Er kann so im Stehen nicht essen. Ich sage ihm, er soll sich zu uns setzen!“ Dieses Mal musste ich nicht antworten. Sie deutete auf den freien Stuhl an unserem Tisch. Der Mann zögerte zuerst aber als er sah, dass wir beide auf den Stuhl zeigten, setzte er sich nieder. Er hatte ein breites Lächeln im Gesicht und schüttelte uns herzlich die Hände. Wir schoben ihm noch den Salatteller zu und ein Stück Brot. In der zwischen Zeit richteten sich immer mehr Blicke auf uns. Die meisten Leute waren berührt. Nur der Kellner, so denke ich, war nicht sehr erfreut über unsere Aktion. Eine Frau, die am Nebentisch saß, bemerkte: „Das ist sehr nett von Ihnen! Er hat sicher schon lange nicht mehr so gut gegessen.“ Der alte Herr sah sie an und zeigte auf drei Schälchen mit scharfen Soßen, die auf ihrem Tisch standen. Die Dame reichte sie ihm und er gab etwas von der grünen und schärfsten Soße auf sein Essen. Wir dachten, ihm seien die Soßen bekannt und er ist sich deren Schärfe bewusst. Aber als er mehr und mehr auf das Essen gab, versuchten wir ihn zu warnen. Da er offensichtlich kein Deutsch und auch keine Englisch sprechen konnte, blieben die Warnungen von uns Dreien erfolglos. Er lächelte uns nur an und nahm einen großen Löffel, gefüllt mit Hummus und Soße, in den Mund. Leider verging ihm sofort das Lächeln und er schnaubte nur noch. Unser Versuch ihm ein Getränk zu bestellen blieb erfolglos, da der Kellner unseren Tisch mied. Der Herr pickte sich noch die Stücke heraus, die nicht bedeckt waren von der Soße, aß den Salat und das Brot, bedankte sich nochmals mit Kopfnicken und Händeschütteln und ging davon.

Schade, dass er sein Essen nicht bis zum letzten Bissen genießen konnte. Aber vielleicht hatte er schon lange einen Appetit auf diese farbenfrohen Soßen und jetzt wusste er endlich wie sie schmecken.

Eine Frau, die eine paar Tisch entfernt saß, kam zu uns und sagte: „Ich bin froh zu sehen, dass es solche Menschen wie Sie gibt!“ Jetzt hatte ich auch Tränen in den Augen. Der Tag fühlte sich richtig gut an. Ich bedankte mich bei meiner Schwester, denn ohne sie wäre der Abend niemals so schön verlaufen.

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