Der traurige Bezirk

Kurz vor Weihnachten fingen die Menschen an, die Hauptstraßen in ihren Bezirken festlich zu schmücken.

Der erste Bezirk bekam riesige Leuchter über dem Graben und Lichterwellen wurden über die Kärntner Straße aufgehängt, die kahlen Bäume auf der Ringstraße erstrahlten mit tausenden von kleinen Lichtern und über der Josefstädter Straße strahlten blaue Lichterkugeln. Eigentlich wurden alle Wiener Bezirke bis auf einen geschmückt. Nur ein Bezirk musste traurig zusehen, wie alle Bezirke rund um ihn im festlichen Lichterglanz erstrahlten. Es war der Siebzehnte. Er wartete und wartete, dass seine Bewohner kommen, um seine geliebte Hernalser Hauptstraße zu schmücken, aber keiner kam.

„Sie werden bestimmt noch kommen! Es ist ja noch nicht Heiligabend. Sie werden es sicher noch rechtzeitig schaffen!“, redete er sich ein.

Leider wartete Hernals vergeblich, denn die Hernalser kamen nicht.

An Heiligabend gingen alle Leute mit Christbäumen und Geschenken nach Hause. Er hörte die fröhlichen Stimmen aus den Wohnungen und das Läuten der Kirchenglocken. Er schaute nach rechts zur Währinger Straße und nach links zur Thaliastraße, die beide feierlich in den Himmel strahlten. Er wurde immer trauriger und musste weinen. Seine Tränen fielen auf die Dächer der Häuser. Anfangs waren es nur wenige Tränen, aber dann flossen sie in Strömen. Er könnte sie einfach nicht mehr zurückhalten. Niemand sah den weinenden Bezirk, nur der Mond, der gerade auf seinem Weg in die Himmelsmitte war. Er sah die Träne, die wie Perlen an den Dächern und an den Stromleitungen hingen und beschloss dem siebzehnten Bezirk eine Freude zu machen. Er schob die Wolke, die seine Strahlen verdeckte zu Seite und leuchtete mit voller Kraft runter auf Hernals. Das Licht fiel auf den Tränen und brachte die Hernalser Hauptstraße zum Strahlen, wie ein glitzerndes Diamantenmeer. Es funkelte so hell, dass alle anderen Bezirke bewundernd nach Hernals schauten.

Diese Nacht war die schönste Weihnachtsnacht für den siebzehnten Bezirk.

Leider haben die Bewohner von Hernals diesen wunderschönen Augenblick verpasst!

 

 

Die verlorenen Regenschirme

Heute früh regnete es. Viele Menschen gingen mit Regenschirmen auf die Straße. Rote, grüne, schwarze oder bunte. In allen Farben leuchteten die hochgehobenen Schirme, bis sich die Wolken lockerten und der Regen aufhörte. Langsam verschwanden die Schirme, einer nach dem anderen.
Aber nicht alle verschwanden.
Am Straßenrand lag ein roter Schirm. Er sah sich um, aber sein Besitzer war weit und breit nicht zu sehen. Der Schirm dachte: “Ich warte einfach bis er wieder kommt!”
In der U-Bahn lag ein grüner Schirm mit weißen Streifen. Das kleine Mädchen, das ihn getragen hat, rannte aus der Bahn und vergaß ihn.
Der Schirm dachte: “Ich warte einfach bis sie wieder kommt!”
Ein schwarzer Schirm lag vor der Bäckerei. Der Mann hatte ihn abgelegt und ging Brot kaufen; als er rauskam, ging er am Schirm vorbei und dachte nicht daran, ihn mitzunehmen. Der schwarze Schirm dachte: “Ich warte einfach bis er wieder kommt!”.
Nicht nur der rote, der grüne mit weißen Streifen und der schwarze  wurden vergessen, viele Schirme lagen hier und dort und warteten auf ihre Besitzer.
Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu und die Nacht zog ein. Der rote Schirm stellte sich langsam auf und hoppelte auf der Straße, er sah einen bunten Schirm, der auf der Wiese im Park lag.
“Hallo, was machst du da?” fragte der rote Schirm.
“Ich wurde vergessen!” antwortete der bunte Schirm.
“Dann komm mit mir. Lass uns noch andere vergessene Schirme suchen!”
Beide Schirme hoppelten weiter und trafen bei der U-Bahnstation den grün-weiß gestreiften Schirm. Beim Bäcker kam noch der schwarze Schirm dazu. Alle vergessenen Schirme hoppelten durch die Straße, bis sie zu einem großen Platz kamen. Dort spannte sich der rote Schirm auf und sagte: “Ich will nicht zusammengeklappt am Boden liegen. Ich will aufgespannt hoch in der Luft schweben!”
Da rief ein kleiner gelber Schirm: “Ich habe eine Idee!” Alle Schirme spannten sich auf.
Als am Morgen die Menschen auf den Platz kamen, sahen sie etwas Wunderbares. Die verlorenen Schirme hingen in der Luft nebeneinander und überdachten den Platz. Die Sonne strahlte durch die Schirme und überflutete den Platz mit buntem Licht!
Ein kleines Mädchen hob den Kopf und sagte: “Mama, da oben ist mein kleiner gelber Schirm!”

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