Obwohl ich dachte, dass ich immer mit offenen Augen durch Wien gehe und Kunst und Kultur überall wahrnehme, bin ich scheinbar eine richtige „Kulturbanausin“!
Ich gehe schon seit Jahren über die Stubenbrücke und denke dabei immer wieder: „Wann ist die Restauration der verhüllten Statuen endlich abgeschlossen? Das kann doch nicht ewig dauern?“
Ganz ehrlich, ich habe die Skulpturen auch nie richtig angeschaut. Meistens fällt mein Blick auf den Wienfluss, um zu sehen wie viel Wasser gerade fließt oder ich überlege, ob ich durch den Stadtpark gehen soll oder doch außen herum.
Seit ich auf Instagram bin und beinahe alles auf seine Fototauglichkeit überprüfe, habe ich mir die Zeit genommen um die Statuen näher zu inspizieren und ich war sehr überrascht! Ich stellte auf einmal fest: Hier ist nichts verhüllt, es sind komplett fertige Statuen. Da kann ich ewig warten!
Naja, jetzt wo ich es weiß ist es eigentlich eindeutig, dass es Skulpturen sind und keine Verschalungen, um etwas zu verbergen oder zu schützen. Sie sind nur ungewöhnlich für den ersten Bezirk. In der Innenstadt erwarte ich Stein- oder Bronze Skulpturen mit aufwendigen und feinen Detailarbeiten von berühmten Persönlichkeiten oder Heiligen. Diese vier weißen Massen hier sind modern und haben klobige, runde Umrisse. Sie sind außergewöhnlich, unförmig und doch irgendwie sympathisch mit ihren riesen Nasen und verzogenen Mündern.
Später am Tag habe ich diese Skulpturen „gegooglet“ und zu meinem Trost herausgefunden, dass sie Larven (Masken) heißen. Also ich kann mir einreden, dass ich sie immer schon richtig als Larven wahrgenommen habe und einfach auf ihre Entpuppung wartete! Dass der Künstler Franz West mit den Larven oder Lemurenköpfen, wie sie auch noch genannt werden, „den Dialog zwischen skulpturalem Objekt und BetrachterIn herausfordern“* wollte, ist ihm bei mir auf jeden Fall gelungen. Ich blieb nämlich kurz vor einer der Skulpturen stehen, um ein Foto zu machen und murmelte leise vor mich hin: „Du versteckt ja gar nichts hinter Deiner weißen Hülle. Du bist die Hülle!“ Die Mimik der Skulpturen ist vielseitig interpretierbar. Für mich wirkte der zusammengezogene Mund mit den schmalen Lippen und die weit geöffneten riesigen Nasenlöcher als würde sie mir sagen wollen: „Ja, es war aber auch schon höchste Zeit, dass du endlich draufkommst!“
Ich habe wieder was dazu gelernt und meine Welt ist um vier Köpfe, weiße Massen, Larven… größer geworden.
Ja, und die Stubenbrücke, die ist für mich nicht mehr „Die Brücke neben dem Stadtpark“, sondern „Die Brücke mit den vier Larven“!
* http://www.mak.at/franz_west___vier_lemurenkoepfe