Opa

Heute wäre mein Opa 113 Jahre alt geworden, wäre er nicht mit 79 gestorben.

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern an dem er gestorben ist. Das Wählscheibentelefon läutete spät am Abend und das Klingeln hallte im großen Haus. Meine Mutter eilte zum Telefon. Sie versuchte leise zu sprechen, was aber bei Ferngesprächen in den 80ern ziemlich schwer war. Meine Schwester und ich rannten zu ihr in den Flur, als wir hörten, dass sie Deutsch sprach. Das bedeutete, dass der Anruf aus Österreich war, was an sich etwas freudiges war, aber um diese späte Stunde könnte es nichts Gutes bedeuten. Und so war es auch. Mamas Stimme wurde immer zittriger und als sie auflegte flossen ihr die Tränen über das Gesicht: “Opa ist gestorben!”, sagte sie und umarmte uns fest. Wir haben uns dann zusammengesetzt und über unseren letzten Besuch bei ihm und der Oma in Oberösterreich gesprochen. Das hat uns gut getan.

Er war schon einmal vor dem Sommer sehr schwer krank gewesen, hatte aber noch den Lebenswillen nicht aufgegeben, weil er uns sehen wollte. Er hatte immer große Sorgen um uns, wegen des ersten Golfkrieges. Als wir im Sommer vom Flughafen direkt zu ihm ins Krankenhaus gefahren sind hat er gestrahlt vor Freude und wollte sofort mit uns nach Hause fahren. Die Schwester hat ihm aber erklärt, dass er sich noch ein paar Tage gedulden muss. Zu Oma hat er dann gesagt: “Gib ihnen das ganze Geld aus meiner Lade!” Und zu uns sagte er: “Kauft euch schöne Sachen damit!” Dann schaute er noch zu meiner Schwester, die schon ein Teenager war und sagte ihr: “Kannst dir Schuhe kaufen!” er wusste genau was sie mag.

Der Sommerurlaub war, wie immer, wunderschön in Österreich und die Energie die wir getankt haben, hat für das restliche Jahr in Bagdad ausgereicht. Beim Abschied war er sentimental, vielleicht spürte er, dass wir uns nie wieder sehen würden. Ich war zu jung, um das zu verstehen und habe mich mit der Selbstverständlichkeit eines Wiedersehens verabschiedet.

Wenn ich heute an ihn denke, dann sehe ich ihn im Garten mit der Pfeife sitzen. Er nahm uns selten auf den Schoß und er spielte auch nicht mit uns wie die Oma, aber er war da und war glücklich, dass wir auch da waren. Es war seine Art uns seine Liebe zu zeigen.

Täglich musste er viele Pillen nehmen und ich war über glücklich, wenn er mich beauftragt hat sie zu holen. 7 oder 8 bunte Pillen, ich fühlte mich erwachsen und verantwortungsvoll, wenn ich ihm die Pillendose bringen durfte.

Faszinierend war auch sein Frühstück. Milchkaffee in einem Reindl und er brockte eine Semmel ein. Ich fand es extrem appetitlich, durfte aber keinen Kaffee trinken.

Über seine Kindheit und Jugend hörten wir nur von Oma. Er war nur im hier und jetzt.

Heute, im Verwandtschafts-chat auf WhatsApp, schreiben alle über Opa und teilen Fotos von ihm. Ich lese die Nachrichten vor dem Fenster und plötzlich ist ein wunderschöner Regenbogen vor mir. „Opa, bist das du?“

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