Hitzewelle

Es war im Juli 2003, als ich von Bagdad nach Wien gezogen bin. Schon beim Anflug habe ich gemerkt, dass irgendetwas anders war als sonst. Es war der gelbe Schleier, der sich auf den Feldern von Österreich verbreitet hat und uns, statt dem satten Grün, das sonst unsere Herzen aufblühen ließ, begrüßt hat.

Meine Schwester, die mit mir war, sagte: “Das ist ja fast so trocken wie Bagdad!”

Nach dem Landen haben wir die ungewöhnliche Hitze zu spüren bekommen und meine Mutter, die auf uns wartete meinte: “Es ist einer der heißesten Sommer in Wien!”

Diese Hitzewelle hat man nicht nur an den gelblichen Pflanzen gesehen sondern auch an den Gemütern der Menschen:

Es war in einem Bus der Linie 13A als zwei Männer, total ohne Grund, aufeinander losgingen. Sie schrien sich so arg an, dass ich mir dachte, sie werden sich bald gegenseitig die Köpfe einschlagen. Die Situation ist nur nicht zur Eskalation gekommen, weil einer der Streitenden ausgestiegen ist.

Das gleiche Phänomen, habe ich mehrmals beobachten können. Einmal hat sogar der Straßenbahnfahrer eine Frau angebrüllt, weil ihr Kind nicht aufhörte zu schreien. Er sagte: „Geh bitte, steigen’s aus. Des Geschrei höt ja ka’na aus, bei der Affenhitze no dazu!“

Die Frau, die schon mit dem tobenden Kind im Kinderwagen überfordert war, verließ die Straßenbahn mit Tränen in den Augen.

Die Hitze hat, wie man so schön auf Wienerisch sagt: „Olle ins Hirn geschissen“.

Zurückblickend nach Bagdad, wo es im Sommer bis zu 53 Grad Celsius im Schatten haben kann und jeder normaler Thermometer in der Sonne platzt, ist mir klar geworden, warum es dort immer wieder zu Streitereien kommt. Besonders am Markt und im Straßenverkehr hörte man oft eine lautstarke Auseinandersetzung, um die sich schnell eine große Menschenmenge versammelte, deren Rollen zwischen Zuschauer, Hetzer und Schlichter variierten.

Meistens endeten auch diese Streitereien friedlich und die laute Versammlung löste sich wieder auf.

Was bleibt ist die Hitze, die bald wieder jemanden ins Hirn…!

Kategorien About Baghdad, About Vienna, Story.One Warning: Undefined variable $tag_list in /home/.sites/80/site8025394/web/wp-content/themes/toujours/inc/template-tags.php on line 92 Warning: Undefined variable $tag_list in /home/.sites/80/site8025394/web/wp-content/themes/toujours/inc/template-tags.php on line 97 Schlagwörter , , ,

Fliegende Monster

Als ich am 27. Juli 2017 im Büro war und einen lauten, immer näher kommenden Hubschrauberlärm hörte, dachte ich mir: „Es muss ein Rettungshubschrauber sein.“ Aber als der Ton immer lauter wurde und das Bürohaus richtig zu vibrieren begann, eilten wir zum Fenster und sahen die Verursacher. Es waren vier riesige US-Militärhubschrauber.

Obwohl ich wusste, dass es sicher kein Angriff war, ist es mir eiskalt über den Rücken gelaufen und ich spürte dieselbe Angst in mir, die ich bei meiner letzten Begegnung mit so einem Hubschrauber hatte…

Das war im Mai oder im Juni 2003. Bagdad war am 9.April gefallen und die amerikanischen Soldaten haben gemeinsam mit den Alliierten das Land mehr oder weniger „kontrolliert“.

Mein Mann war in der Arbeit und ich war im Haus und spielte mit meinen beiden Kinder, damals 2 und 4, im Kinderzimmer.

Man hörte den ganzen Tag Hubschrauber und Kriegsflieger herumschwirren im Himmel, dass man sich schon fast daran gewöhnt hatte. Aber plötzlich näherte sich ein Hubschrauber so nah an unser Haus heran, dass alles zu beben begann.

Mein Herz raste. Ich habe meinen Sohn aufgehoben und meine Tochter an der Hand genommen und bin auf die Dachterrasse rausgerannt. Der Wind vom Hauptrotor wirbelte unsere Haare auf. Ich schaute rauf und das schwarze Monster-Ding, stand im Flug genau über dem Haus. Die Windschutzscheiben reflektierten die Sonne und blendeten mich, hinten war die Schiebetür halboffen und eine schwere Waffe war auf uns gerichtet. Sie waren so nah, dass ich Augenkontakt hatte mit dem US-Soldat der hinter der Waffe stand.

Meine Knie waren weich, mein Herz raste mir fast aus der Brust. Das einzige was ich machen konnte war auf die Kinder zu deuten und „Children“ zu sagen. Er hörte mich sicher nicht, ich hörte mich selbst nicht, aber das Deuten auf die Kinder hat er wahrgenommen. Er nickte mir zu und der Hubschrauber flog wag.

Ich bin auf die Knie gegangen und habe meine Kinder fest an mich gedrückt. Die beiden waren vom Lärm benommen und haben sich mit aller Kraft schweigend an mich geklammert.

Ich blieb so, bis ich die besorgte Stimme meiner Schwester wahrgenommen habe die nach mir gerufen hat. Sie wohnte gegenüber und rannte zu mir, als sie den Hubschrauber über dem Haus sah.

Was die Soldaten im Hubschrauber suchten oder machen wollten werde ich nie wissen. Was ich aber mit Sicherheit weiß, ich werde immer Panik haben vor diesen fliegenden Kriegsmonstern, egal ob sie in Bagdad irrtümlich über unser Haus kreisen oder versehentlich über Wien fliegen.

*Orf Bericht vom 27.07.2017: https://wien.orf.at/v2/news/stories/2857316/

Kategorien About Baghdad, About Vienna, Story.One Warning: Undefined variable $tag_list in /home/.sites/80/site8025394/web/wp-content/themes/toujours/inc/template-tags.php on line 92 Warning: Undefined variable $tag_list in /home/.sites/80/site8025394/web/wp-content/themes/toujours/inc/template-tags.php on line 97 Schlagwörter , ,