Der traurige Bezirk

Kurz vor Weihnachten fingen die Menschen an, die Hauptstraßen in ihren Bezirken festlich zu schmücken.

Der erste Bezirk bekam riesige Leuchter über dem Graben und Lichterwellen wurden über die Kärntner Straße aufgehängt, die kahlen Bäume auf der Ringstraße erstrahlten mit tausenden von kleinen Lichtern und über der Josefstädter Straße strahlten blaue Lichterkugeln. Eigentlich wurden alle Wiener Bezirke bis auf einen geschmückt. Nur ein Bezirk musste traurig zusehen, wie alle Bezirke rund um ihn im festlichen Lichterglanz erstrahlten. Es war der Siebzehnte. Er wartete und wartete, dass seine Bewohner kommen, um seine geliebte Hernalser Hauptstraße zu schmücken, aber keiner kam.

„Sie werden bestimmt noch kommen! Es ist ja noch nicht Heiligabend. Sie werden es sicher noch rechtzeitig schaffen!“, redete er sich ein.

Leider wartete Hernals vergeblich, denn die Hernalser kamen nicht.

An Heiligabend gingen alle Leute mit Christbäumen und Geschenken nach Hause. Er hörte die fröhlichen Stimmen aus den Wohnungen und das Läuten der Kirchenglocken. Er schaute nach rechts zur Währinger Straße und nach links zur Thaliastraße, die beide feierlich in den Himmel strahlten. Er wurde immer trauriger und musste weinen. Seine Tränen fielen auf die Dächer der Häuser. Anfangs waren es nur wenige Tränen, aber dann flossen sie in Strömen. Er könnte sie einfach nicht mehr zurückhalten. Niemand sah den weinenden Bezirk, nur der Mond, der gerade auf seinem Weg in die Himmelsmitte war. Er sah die Träne, die wie Perlen an den Dächern und an den Stromleitungen hingen und beschloss dem siebzehnten Bezirk eine Freude zu machen. Er schob die Wolke, die seine Strahlen verdeckte zu Seite und leuchtete mit voller Kraft runter auf Hernals. Das Licht fiel auf den Tränen und brachte die Hernalser Hauptstraße zum Strahlen, wie ein glitzerndes Diamantenmeer. Es funkelte so hell, dass alle anderen Bezirke bewundernd nach Hernals schauten.

Diese Nacht war die schönste Weihnachtsnacht für den siebzehnten Bezirk.

Leider haben die Bewohner von Hernals diesen wunderschönen Augenblick verpasst!

 

 

11 Jahre bis zum Café Hawelka

Seit 2003 ist mein Hauptwohnsitz in Wien. Davor war Wien immer nur ein Sommerurlaubsziel für ein paar Tage. Das heißt Wien war für mich: Kärntner Straße, Stephansdom, Mariahilferstraße und Schloss Schönbrunn. Als ich fix nach Wien zog verging die erste Zeit wie im Flug. Ich musste Fuß fassen und eine Existenz für meine Familie und mich aufbauen. Ich war total glücklich in Wien sein zu können, konnte die schöne Stadt aber nicht richtig genießen! Langsam aber doch pendelte sich alles ein und 2004 bekam ich meinen zweiten Job in Wien und wir sind in unsere erste richtige Wohnung eingezogen. Meine Einstellung zu Wien änderte sich und ich bin vom Tourist-mode auf Home-mode umgesprungen. Ich war endlich wider zuhause. Ich war angekommen.

Nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen und nach einem langen Arbeitstag, eine Tasse Tee vor dem Fernseher zu genießen, ist ein wahrer Luxus. Eine der ersten Sendungen die ich in meiner Wohnung sah, war ein Bericht über die Hawelkas und ihr Café in der Dorotheagasse. Ein Café an dem ich täglich auf meinem Weg in Arbeit vorbei ging aber da es Winter war, nie bemerkt hatte. Die Geschichte vom Lokal war sehr interessant und die Frau Hawelka total sympathisch. Bei dem Anblick der warmen Buchteln ist mir das Wasser im Mund zusammen geronnen. Am Ende kam noch das Lied “Jö schau” von Georg Danzer und mir ist bewusst geworden, wie wenig ich über Wien wusste und was für tolle Geschichten hinter alten Mauern und geschlossenen Türen verborgen sind. Es war beschlossen: ich muss anfangen Wien zu erkunden und morgen gehe ich nach der Arbeit ins Café Hawelka!

Morgen war gekommen und ich musste länger arbeiten und dann schnell die Kinder vom Kindergarten abholen. Nicht nur dieser Tag sondern auch viele andere sind vergangen bevor ich irgend wann im März 2005 vor der Tür stand und reingehen wollte. Aber das Café, dass keinen Ruhetag kennt, war geschlossen und auf der Tür hing die Todesanzeige von Frau Josefine Hawelka. Ich stand für sicher 5 Minuten blöd vor der Tür und las das Schild ein paar mal durch als würde sich der Text ändern je öfter ich ihn las. Der Text änderte sich nicht und ich war einfach nur traurig. Ich hatte so lange Zeit um sie kennen zu lernen aber ich habe meine Chance verpasst. Gott gib ihr die ewige Ruhe! Im April habe ich meinen Job im ersten Bezirk gekündigt und meine Besuche in der Innenstadt sind selten geworden. Im Hinterkopf ist immer wieder der Wunsch aufgetaucht, dass ich ins Café Hawelka gehe, aber die Umsetzung schaffte ich nicht bzw. bis gestern nicht.

Heute 11 Jahre später sitze ich zum ersten Mal im Hawelka. Ob

Frau und Herr Hawelka
Frau und Herr Hawelka

wohl es Sommer ist und der Schanigarten sehr einladend ist, habe ich mich hineingesetzt. Ich setzte mich am letzten Tisch in der Ecke beim Fenster, so dass ich fast das gesamte Lokal sehen konnte. Es ist alt, sehr alt. Die Zeit steht hier still. Die Bronze Büsten von Frau und Herr Hawelka erinnerten mich an den Tag an dem ich das erste mal kommen wollte und ich habe mich leise bei Frau Hawelka entschuldigt: “Es tut mir leid. Ich hätte Sie gerne persönlich kennen gelernt und Ihre Energie im Café gespürt!”.

 

Das Lied von Danzer füllte mein Kopf und malte ein Grinzen auf mein Gesicht. “A Nokade, gab es noch nicht!” Dachte ich mir. Aber ich will das jetzt auch nicht unbedingt ändern.

Ich bestellte eine Melange und tat dann das was ich am besten kann wenn ich alleine bin, ich habe die Leute beobachtet. Es waren nicht viele im Café, die meisten waren draußen im Schanigarten. Zwei Tische waren mit Touristen besetzt. Auf einem andern war ein paar das eine heftige Diskussion führte über Migration und die Deutsche Sprache zumindest waren das die Wörter die zu mir durchgedrungen sind. Und dann war noch ein Mann mit Strohhut und Bart der an dem Tisch saß, wo, denke ich, Georg Danzer saß als er “Jö schau” sang! Der Mann sah aus wie ein Künstler oder Schriftsteller und schien kontaktfreudig. Er versuchte immer wieder mit den Gästen zu sprechen, die Touristen waren aber nicht sehr bereit zum Gespräch. Dann kam eine Frau, begrüßte ihn und setzte sich zu ihm und sie fingen an zu sprächen. Inzwischen habe ich die Melange bekommen und bin in meinen Gedanken gesunken. Dieses Café ist so ein Ort der die Alltagshektik verschwinden lässt. Die inneren Motoren werden runtergefahren und plötzlich hat man endlos Zeit. Ich wäre auch gerne noch ewig geblieben aber die Versuchung Buchteln zu bestellen ist immer größer geworden und ich wollte nichts essen, also beschloss ich meine Zeitreise zu beenden und bezahlte.

Vor dem gehen wollte ich noch die Büsten fotografieren. Der Herr mit Hut saß unmittelbar daneben, er war inzwischen wieder alleine und ich bemerkte schon im Augenwinkel, dass er einen neuen Gesprächspartner suchte. Er schaute mich an und sagte: “Wenn Sie etwas wissen wollen über das Café, dann fragen Sie mich einfach!” Ich bin nicht sehr gesprächig, wenn ich jemanden nicht kenne aber heute war ein besonderer Tag und ich wollte das volle Hawelka Programm inklusive Cafehausgespräch mit einer intellektuellen Person.

Ich sagte: “Kennen Sie das Café so gut?”

“Ja, seit ich ein Kind war! Ich bin ein Künstler und diese Bilder sind von mir!” er deutete auf die Wand vor ihm.

“Sehr schön, aber leider kann ich ihren Namen nicht lesen!”

Er stellte sich vor und fragte mich nach meinem Namen. Ich stellte mich mit meinem Vornamen vor. Das mache ich üblicherweise nicht aber gerade wollte ich nur Österreicherin sein. “Rana! Mein Vorname, wie der Frosch auf Italienisch” warum gehe ich davon aus, dass ein Künstler italienisch kann?

Er verarbeitet den Namen kurz und dann sagte er: “Setzen Sie sich bitte, wenn Sie Zeit haben!” Ich setzte mich und er fragt: “Deutsch Problem?”

Ok, doch nicht ganz als Österreicherin durchgekommen, also sagte ich: “Nein, kein Problem! I bin a Oberösterreicherin!” Manchmal reicht die halbe Wahrheit und ich wollte was über Ihn und das Café erfahren und nicht über mich erzählen.

Er erzählte mir, dass er schon als Kind mit seinem Vater in das Café kam und zeigte mir ein Buch über das Café in dem er auf Seite 183 vorkam. Ich schlug die Seite auf und unter seinem Strohhut sah er noch genau so aus wie auf dem offensichtlich viel älterem Bild im Buch! Er hat mir noch gesagt, dass das Buch vergriffen ist und ich es nur hier im Café oder bei ihm kaufen kann. Ich hatte nicht genug Geld dabei und war somit gegen seine Marketingaktion gewappnet. Obwohl, eine Ansichtskarte von einem seiner Werke habe ich ihm dann doch abgekauft. Wir haben noch kurz geplaudert und ich habe ihm erzählt, dass ich vor ca. 11 Jahren vor der Tür stand und erst heute es geschafft habe zu kommen. “Das ist traurig! Jetzt führen es die Enkeln. Ich habe die Hawelkas sehr gut gekannt!”

Die Zeit zum Gehen war gekommen und ich habe mich verabschiedet.

Ich hatte ein tolles Gefühl beim verlassen des Lokals. Das warten hat sich gelohnt. Mein erster Besuch im Café Hawelka ist eine tolle Erinnerung geworden an die ich gerne denke werde.

Melange
Melange

Die verlorenen Regenschirme

Heute früh regnete es. Viele Menschen gingen mit Regenschirmen auf die Straße. Rote, grüne, schwarze oder bunte. In allen Farben leuchteten die hochgehobenen Schirme, bis sich die Wolken lockerten und der Regen aufhörte. Langsam verschwanden die Schirme, einer nach dem anderen.
Aber nicht alle verschwanden.
Am Straßenrand lag ein roter Schirm. Er sah sich um, aber sein Besitzer war weit und breit nicht zu sehen. Der Schirm dachte: “Ich warte einfach bis er wieder kommt!”
In der U-Bahn lag ein grüner Schirm mit weißen Streifen. Das kleine Mädchen, das ihn getragen hat, rannte aus der Bahn und vergaß ihn.
Der Schirm dachte: “Ich warte einfach bis sie wieder kommt!”
Ein schwarzer Schirm lag vor der Bäckerei. Der Mann hatte ihn abgelegt und ging Brot kaufen; als er rauskam, ging er am Schirm vorbei und dachte nicht daran, ihn mitzunehmen. Der schwarze Schirm dachte: “Ich warte einfach bis er wieder kommt!”.
Nicht nur der rote, der grüne mit weißen Streifen und der schwarze  wurden vergessen, viele Schirme lagen hier und dort und warteten auf ihre Besitzer.
Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu und die Nacht zog ein. Der rote Schirm stellte sich langsam auf und hoppelte auf der Straße, er sah einen bunten Schirm, der auf der Wiese im Park lag.
“Hallo, was machst du da?” fragte der rote Schirm.
“Ich wurde vergessen!” antwortete der bunte Schirm.
“Dann komm mit mir. Lass uns noch andere vergessene Schirme suchen!”
Beide Schirme hoppelten weiter und trafen bei der U-Bahnstation den grün-weiß gestreiften Schirm. Beim Bäcker kam noch der schwarze Schirm dazu. Alle vergessenen Schirme hoppelten durch die Straße, bis sie zu einem großen Platz kamen. Dort spannte sich der rote Schirm auf und sagte: “Ich will nicht zusammengeklappt am Boden liegen. Ich will aufgespannt hoch in der Luft schweben!”
Da rief ein kleiner gelber Schirm: “Ich habe eine Idee!” Alle Schirme spannten sich auf.
Als am Morgen die Menschen auf den Platz kamen, sahen sie etwas Wunderbares. Die verlorenen Schirme hingen in der Luft nebeneinander und überdachten den Platz. Die Sonne strahlte durch die Schirme und überflutete den Platz mit buntem Licht!
Ein kleines Mädchen hob den Kopf und sagte: “Mama, da oben ist mein kleiner gelber Schirm!”

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Der Augustin Verkäufer

Es gibt Menschen, an denen man nicht einfach vorbeigeht. Menschen die wir nicht wirklich kennen, die aber eine Rolle in unserem Leben spielen. Sie stimmen uns um, bringen uns zum Denken, lösen Mitleid aus oder bereiten uns Angst. Auf alle Fälle hinterlassen sie eine Spur in uns, wenn wir an ihnen vorbeigehen.
Einer dieser Menschen, die auf mein Gemüt wie ein Wunder wirkt, ist der Augustin Verkäufer bei der U2 Station Schottentor. Ich bin eine der vielen glücklichen Menschen, die jeden Morgen von seiner positiven Stimmung Energie tanken dürfen. Sein fröhlicher Gesang und die Art wie er den Augustin präsentiert, sind einzigartig.
Jeden Tag auf meinem Weg in die Arbeit gehe ich beim Schottentor runter zur U2. Meistens bin ich in Gedanken verloren und habe kaum einen Gesichtsausdruck. Kein Muskel bewegt sich, nur das Gehirn arbeitet in allen Richtungen. Aber egal wie gestresst, froh oder traurig ich bin, wenn ich an ihm vorbei gehe und ihn ein Lied pfeifen höre oder seine Stimme höre wenn er sagt: “Das ist der beste Augustin!”, dann zeichnet sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Ohne großen Aufwand ziehen sich meine Mundwinkel hoch und ich grinse. Ich denke oft, ich sollte stehen bleiben und ihm danke sagen oder mit ihm singen und pfeifen. Aber wie die meisten, habe ich es immer eilig am Morgen und ich husche schnell weiter, damit ich rechtzeitig ins Büro komme. Was bleibt, ist das Lächeln auf mein Gesicht und die gute Laune, die nehme ich mit.
Danke dir lieber Augustin Verkäufer 🙂

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